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ACHTSAMKEIT

Es gibt viele Definitionen von Achtsamkeit. Eine davon lautet:

Achtsamkeit bedeutet, seine Aufmerksamkeit bewusst auf den gegenwärtigen Moment zu lenken – ohne ihn zu bewerten.

Es geht also um eine Haltung der Aufmerksamkeit: absichtsvoll, wach und offen für das, was jetzt gerade da ist. Nicht darum, etwas zu verändern oder zu optimieren, sondern zunächst wahrzunehmen, was ist.

In unserer heutigen Zeit entsteht leicht der Eindruck, dass sich das Leben immer weiter beschleunigt. Reize, Informationen und Erwartungen prasseln permanent auf uns ein. Unsere Gehirne bekommen kaum noch echte Pausen. Viele Menschen – Kinder wie Erwachsene – sind chronisch überlastet. Nicht, weil sie „zu schwach“ wären, sondern weil unser Alltag kaum noch Räume für Ruhe, Verarbeitung und Präsenz lässt.

Wir sind ständig Bewertungen ausgesetzt und bewerten selbst ununterbrochen. Besonders in der digitalen Welt bewegen wir uns im Sekundentakt durch Inhalte, ohne unserem Geist die Möglichkeit zu geben, wirklich zur Ruhe zu kommen. Selbst in Momenten, in denen wir theoretisch nichts tun könnten, füllen wir diese mit Musik, Podcasts oder anderen Reizen – alles Dinge, die ebenfalls Aufmerksamkeit verlangen und verarbeitet werden wollen.

Hinzu kommt ein starker innerer Leistungsdruck. Erfolg wird oft an Noten, Abschlüssen, Titeln oder Einkommen gemessen. Wir leben die meiste Zeit auf ein Ziel hin. Unsere Gedanken kreisen um Vergangenes oder um Pläne und Erwartungen für die Zukunft. Selbst beim Essen sind wir gedanklich schon bei den nächsten Aufgaben – oder erledigen sie gleich nebenbei.

So leben wir fast überall, nur selten dort, wo unser Leben tatsächlich stattfindet: im gegenwärtigen Moment.

Und genau hier setzt Achtsamkeit an.

Im gegenwärtigen Moment kann unser Nervensystem zur Ruhe kommen. Hier entsteht Klarheit. Hier können wir Stress abbauen, kreativ sein, Freude empfinden und wirklich wahrnehmen, was uns umgibt. In diesem Moment sind wir nicht gefangen in Grübeleien oder Zukunftsszenarien. In diesem Moment dürfen wir einfach sein.

Musik ist dabei ein besonders kraftvoller Zugang zur Achtsamkeit.
Ein Ton erklingt im Jetzt – und ist im nächsten Augenblick schon vergangen. Musik lässt sich nicht festhalten, nicht vorspulen, nicht „nebenbei“ erleben. Sie fordert Präsenz.

Im achtsamen Musikunterricht bedeutet das: hören, spüren, wahrnehmen. Nicht sofort bewerten, nicht vergleichen, nicht perfekt sein müssen. Fehler verlieren ihren Schrecken, weil sie Teil des Prozesses werden. Konzentration entsteht nicht durch Druck, sondern durch echtes Dabeisein.

Wenn Kinder – und auch Erwachsene – lernen, sich auf den Moment einzulassen, verändert sich Lernen grundlegend. Es wird nicht unbedingt schneller, aber tiefer und nachhaltiger.

Achtsamer Musikunterricht fördert nicht nur musikalische Fähigkeiten, sondern auch Selbstwahrnehmung, emotionale Regulation und innere Stabilität. In einer Zeit ständiger Ablenkung wird Musik so zu einem Ort der Sammlung – und Achtsamkeit zu einer Fähigkeit fürs ganze Leben.

Und genau deshalb ist es so wertvoll, Achtsamkeit nicht nur als Konzept zu verstehen, sondern sie als gelebte Praxis in den Alltag und in den Unterricht zu integrieren.

Klangschale in der Hand
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